Szenarien, Kosten, Auswege

Fünf wichtige Klimaerkenntnisse, die der UN-Klimareport deutlich macht

Ein verbrannter Wald in der Nähe des Dorfes Limni, etwa 160 Kilometer nördlich von Athen, auf der Insel Euböa. In Teilen Südeuropas und in Griechenland kämpfen die Menschen weiter gegen heftige Waldbrände und extreme Hitze.

Ein verbrannter Wald in der Nähe des Dorfes Limni, etwa 160 Kilometer nördlich von Athen, auf der Insel Euböa. In Teilen Südeuropas und in Griechenland kämpfen die Menschen weiter gegen heftige Waldbrände und extreme Hitze.

Der Weltklimarat hat sich am Sonntag nach langen Diskussionen auf seinen Synthesebericht über den Klimawandel geeinigt. Mehr als 600 Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Politik haben seit vergangenem Montag Zeile für Zeile des Dokuments erörtert. Die Beratungen hätten schon Freitag enden sollen, dauerten aber bis Sonntagabend.

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Dieser Synthesebericht ist eine der Grundlagen für kommende Klimaverhandlungen, deshalb haben Regierungen klare Interessen, was sie darin betont sehen wollen und was nicht. Es handelt sich um das Abschlussdokument des sechsten Sachstandszyklus des Weltklimarats (IPCC). In dem Zyklus sind seit 2018 sechs Einzelberichte erschienen. Der Synthesebericht soll alle Erkenntnisse zusammenfassen und pointiert präsentieren.

Fünf Erkenntnisse, die wir aus den IPCC-Berichten mitnehmen sollten:

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1. Wir müssen uns auf eine Welt nach 1,5 Grad vorbereiten

Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, braucht es „tiefgreifende, schnelle und nachhaltige Reduzierungen der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren“, so der IPCC in seiner Presseerklärung. Die Emissionen müssten jetzt sinken und sich bis 2030 fast halbieren. Technisch-physikalisch ist das noch möglich. Was bisher an Maßnahmen umgesetzt wurde, ist dafür jedoch nicht ausreichend. Im Gegenteil: Ohne eine Stärkung der Politik könnte die globale Erwärmung 3,2 Grad bis 2100 betragen, heißt es in dem Bericht.

Fast alle Szenarien und Modellierungen, die der IPCC berücksichtigt hat, zeigen, dass die Erderwärmung weiter stiegen wird. „Kurzfristig wird die globale Erwärmung selbst unter dem Szenario mit sehr niedrigen Treibhausgasemissionen eher 1,5 °C erreichen als nicht“, heißt es in dem Bericht. „Wir müssen anfangen, uns ernsthaft mit der Welt hinter 1,5 Grad zu beschäftigen, weil wir darauf zusteuern“, fordert daher Mitautor Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Expertinnen und Experten warnen jedoch davor, das Überschreiten von Grenzen leichtfertig in Kauf zu nehmen. „Der Bericht zeigt sehr deutlich auf, mit welchen brachialen Risiken das verbunden wäre“, sagt Matthias Garschagen, Klimaforscher der Ludwig-Maximilians-Universität in München und Mitautor. Einige der Folgen des sogenannten „Overshoot“ werden auch irreversibel sein. Abgestorbene Korallenriffe, abgeschmolzene Gletscher – „wenn diese Systeme einmal verloren sind, sind sie unwiderruflich verloren“, erklärt Garschagen.

Aktivisten der Klimabewegung Letzte Generation haben am Freitag Morgen den Georgiring vor der Oper in Leipzig blockiert. Die Polizei musste die Aktivisten von der Straße holen. *** Activists of the climate movement Last Generation blocked the Georgiring in front of the opera in Leipzig on Friday morning The police had to get the activists off the street

Wir Klimaheuchler: Welche Pflicht zum Klimaschutz haben wir?

Ist es heuchlerisch, mit dem Flugzeug in den Urlaub zu fliegen, wenn man gleichzeitig für den Klimaschutz kämpft? An Anspruch und Wirklichkeit scheitern viele Menschen, wenn es um den Klimaschutz geht. Warum ist das so? Und welche Pflicht haben wir tatsächlich?

2. Es heißt nicht: 1,5 Grad oder nichts

Viele Menschen würden beim 1,5-Grad-Ziel an ein Kliff denken: „Wenn es darüber hinausgeht, ist alles vorbei“, sagt Geden. Doch die genaue Gradzahl sei zweitrangig, die größtmögliche Klimaanstrengung sei nötig, weil jedes Zehntel Grad weniger Erwärmung das Risiko von Hitzewellen, Starkniederschlägen und Dürren verringere. Die Menschen dürften sich nicht „paralysieren lassen“, sagt Geden. Auch wenn die Erderwärmung 1,5 Grad zeitweise überschreite, müsse es dann trotzdem das Ziel sein, sie wieder zu senken.

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Je früher das passiert, desto besser. Die Folgen „für menschliche und natürliche Systeme“ würden, so der IPCC ,„alle mit dem Ausmaß und der Dauer der Überschreitung“ zunehmen. Und auch die Anpassungsmöglichkeiten, die heute noch möglich und effektiv sind, werden ineffektiver, wenn die Erderwärmung voranschreitet. „Mit zunehmender Erderwärmung werden Verluste und Schäden zunehmen und weitere menschliche und natürliche Systeme an Anpassungsgrenzen stoßen“, heißt es.

3. Klimaschutz ist billiger als Klimakrise

„Leider hält sich noch der Reflex: Klimaschutz tut weh. Oder: Wir würden mehr verdienen, wenn wir diese oder jene Maßnahme nicht umsetzten. Aber: Klimaschutz sichert mittelfristig unseren Wohlstand – da muss man hinkommen“, sagt Geden. So verweist der IPCC in seinem Bericht darauf, dass Anpassung und Minderung des Klimawandels eine „entscheidende Bedeutung für nachhaltige Entwicklung“ hätte. So sei zum Beispiel allein der wirtschaftliche Nutzen für die Gesundheit der Menschen durch eine Verbesserung der Luftqualität „in etwa gleich oder möglicherweise sogar größer als die Kosten für die Reduzierung oder Vermeidung von Emissionen“.

Auch Garschagen betont, Klimaschutz sei nicht nur mit Kosten und Herausforderungen verbunden: „Wenn wir beispielsweise Städte umbauen mit mehr Wasser, mehr Begrünung, mehr Beschattung, wenn Gebäude und Dächer begrünt werden, werden sie auch lebenswerter. Oder wenn wir Flächen, auf denen Futtermais für Schweine für unseren Fleischkonsum angebaut wird, in Auenlandschaften verwandeln würden, hätte das auch einen gesellschaftlichen Mehrwert für die Naherholung.“

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4. Die Klimakrise ist fundamental ungerecht

Nicht jedes Land der Erde hat gleich viel zur Klimaerwärmung beigetragen. Aber es sind vor allem ärmere Länder, die massiv unter den Folgen leiden. „Die Ungerechtigkeiten springen uns inzwischen dermaßen ins Gesicht“, sagt Garschagen – und die wissenschaftliche Literatur belege das auch. Das führe dazu, dass das Thema im Bericht stärker betont werde.

Im IPCC-Bericht heißt es zum Beispiel: „Zwischen 2010 und 2020 war die menschliche Sterblichkeit durch Überschwemmungen, Dürren und Stürme in stark gefährdeten Regionen 15-mal höher als in Regionen mit sehr geringer Vulnerabilität.“ Doch in vielen armen Ländern hinke die Einführung emissionsarmer Technologien hinterher – etwa weil die Finanzierung fehle.

Bericht des Weltklimarats: Deutliche Warnung vor schnellerer Erderwärmung
ARCHIV - 09.10.2012, Bayern, Plattling: Qualm steigt aus dem Schornstein einer Fabrik. Führende FDP-Politiker wollen die deutsche Klimaschutzgesetzgebung grundlegend umkrempeln (zu dpa «Führende FDP-Politiker: Klimaziele durch Emissionshandel erreichen»). Foto: Armin Weigel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Ohne drastische Minderungen der Treibhausgasemissionen noch in diesem Jahrzehnt werde das 1,5-Grad-Ziel der Erderwärmung in den 2030er Jahren überschritten.

5. Wir wissen, was getan werden muss

Die Mittel, um die Erderhitzung zu begrenzen und gleichzeitig die Folgen abzumindern, sind da. „Durchführbare, effektive und kostengünstige Optionen zur Minderung und Anpassung“ seien bereits verfügbar, schreibt der Weltklimarat. Dazu gehören zum Beispiel die Solar- und Windenergie. Und auch Kapital sei ausreichend vorhanden, so der IPCC, um Treibhausgase rapide zu reduzieren. Wichtig sei daher, Barrieren abzubauen.

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Doch viel Zeit bleibt nicht. Der Klimawandel beschleunigt sich, Folgen wie Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren häufen sich und werden extremer. Wenn die Regierungen der Welt die klimaschädlichen Emissionen nicht noch in diesem Jahrzehnt drastisch senken, wird das Leben auf der Erde für kommende Generationen unberechenbarer und gefährlicher. „Noch haben wir es in der Hand, um das Allerschlimmste abzuwenden“, sagt Garschagen. Doch: „Dieses Fenster schließt sich.“

Mit Material der dpa